Ernährung und Leber

Dr. Prof. Andreas Kremer

Prof. Dr. med. Andreas Kremer, PhD, MHBA

UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Leitender Arzt und Stv. Leiter Hepatologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

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Eine ausgewogene Ernährung hilft dabei, der immer häufiger auftretenden Fettleber und anderen Lebererkrankungen vorzubeugen. Die Fettleber als typische Zivilisationskrankheit ist stark auf dem Vormarsch. Laut Schätzungen ist bis zu einem Viertel der Schweizer Bevölkerung davon betroffen. Im Folgenden wird näher auf Risiko- und Schutzfaktoren eingegangen. Neben Alkohol und Tabak ist zu viel Zucker – insbesondere auch Fruktose – schädlich. Eine zu hohe tägliche Zufuhr an Fruktose wird in der Leber direkt in Fett umgewandelt und führt langfristig zur Fettlebererkrankung. Kaffee und dunkle Schokolade können sich hingegen positiv auf das Organ auswirken.

Alkohol

Bereits Paracelsus (1493–1541) hat vor über 500 Jahren richtig erkannt: Sola dosis facit venenum (Nur die Dosis macht das Gift). Alles, was wir zu uns nehmen, ist potenziell toxisch. Es hängt von der aufgenommenen Menge ab. «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.»

Für Alkohol werden dabei in verschiedenen Leitlinien unterschiedliche Höchstmengen genannt. Gemäss der Schweizer Leitlinie für Fettlebererkrankungen sind bis zu 20 Gramm Alkohol pro Tag für Männer unbedenklich. Das entspricht etwa einem halben Liter Bier. Für Frauen wird empfohlen, eine Dosis von 10 Gramm pro Tag nicht zu überschreiten. 10 Gramm reiner Alkohol sind etwa in 0,3 l Bier, 0,125 l Wein, 0,1 l Sekt oder 4 cl Schnaps enthalten. Die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt zudem, an mindestens zwei Tagen pro Woche völlig auf Alkohol zu verzichten.

Eine Studie über den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Mortalität1 hat jedoch gezeigt, dass für Frauen keine unbedenkliche Menge definiert werden kann. Während bei Männern die Mortalität erst ab dem zweiten Glas Alkohol erhöht ist, nimmt sie bei Frauen bereits ab dem ersten Glas zu.

Des Weiteren zeigen die Daten, dass ein völliger Verzicht auf Alkohol unter der Woche nicht bedeutet, dass man am Wochenende hemmungslos trinken kann. «Binge Drinking» (≥5 Einheiten in 2 Stunden) und «Heavy Drinking» (≥80g/Tag) sind auch nach einer längeren Trinkpause toxisch für die Leber.

Und wie verhält es sich mit Weisheiten wie «Bier auf Wein: Lass das sein» und «Wein auf Bier: Das rat ich dir»? Bei Menschen, die regelmässig Alkohol konsumieren, wurde untersucht, wie sich der Anteil von Wein am wöchentlichen Alkoholkonsum auf das Risiko für eine Leberzirrhose auswirkt2. Dabei zeigte sich, dass dieses Risiko mit höherem Weinanteil abnimmt. Wein wird also mit einem niedrigeren Risiko assoziiert als andere alkoholische Getränke. Dieses Phänomen wird auf die in Wein, insbesondere Rotwein, enthaltenen Polyphenole zurückgeführt, die eine antioxidantische Wirkung haben. Allerdings gilt das nur für lebergesunde Personen; Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung sollten je nach Stadium der Erkrankung gar keinen Alkohol oder nur in sehr geringem Masse zu sich nehmen.

Lange Zeit ging man davon aus, dass ein moderater Alkoholkonsum gesund sei, weil er das Herz schützt. Dazu liegt eine neuere Studie mit fast 600 000 Alkoholkonsumierenden vor3, wonach das Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung bei sehr massvollem Alkoholkonsum tatsächlich abnimmt, jedoch lediglich um 7–8 Prozent. Wird dieser geringe Alkoholkonsum etwas überschritten, verschwindet dieser Effekt sofort. Es ist also sehr schwierig, hier die richtige Balance zu finden. Zudem blieb die Gesamtmortalität davon unbeeinflusst.

Aus den obigen Punkten lässt sich schliessen, dass die Grenzwerte für den unbedenklichen Alkoholkonsum gesenkt werden müssten. Es gibt keine «sichere» Dosis. Alkohol wirkt bereits in geringen Mengen toxisch, und Personen, die schon an einer Lebererkrankung leiden, sollten ganz darauf verzichten.

Süssigkeiten

Bei Süssigkeiten wie Kuchen ist das grössere Problem der darin enthaltene Zucker, nicht primär das Fett. So ist es beispielsweise besser, ein Glas Vollmilch zu trinken als einen Smoothie, denn dieser enthält sehr viel Fruktose, was für die Leber potenziell schädlich ist. Daher ist es besser, Früchte zu essen als «Früchte zu trinken». Dies liegt daran, dass man nur eine kleine Menge an Obst essen kann, dagegen viel Obst in Form eines Safts oder Smoothies zu sich nimmt, und das dann noch nicht einmal satt macht.

Der entscheidende Faktor ist also der Zuckergehalt. Lange Zeit hielt man das in der Nahrung enthaltene Fett für einen ganz schlechten Bestandteil. Daher begann die Lebensmittelindustrie, möglichst fettarme Kost herzustellen. Damit diese noch schmeckt, wurde immer mehr Zucker oder Salz zugesetzt. Eine grosse Menge Zucker, besonders in Form von Fruktose, ist für die Leber aber schwierig zu verarbeiten und begünstigt eine Fettleber und Übergewicht. Die kurzkettigen Kohlenhydrate werden in Fettsäuren umgewandelt und eingelagert. Die Leber wächst sozusagen mit ihren Aufgaben, wird grösser und verfettet. Das Fett in der Leber kann Entzündungen auslösen, die wiederum zu Vernarbung und Zirrhose führen können. Daneben ist die Fettleber ein Risikofaktor für viele weitere Krankheiten. 1985 war die Fettlebererkrankung noch praktisch unbekannt, entwickelte sich aber in den letzten 30 Jahren zur grössten Herausforderung für die Hepatologie.

Das bedeutet aber nicht, dass einseitige Diäten durchgeführt werden sollten. Ab und zu ein Stück Kuchen zu geniessen ist völlig in Ordnung. Auch hier gilt die Erkenntnis von Paracelsus: Die Menge macht das Gift. Vor rund 100 Jahren hat ein Europäer oder eine Europäerin ca. 1 kg Zucker pro Jahr konsumiert. Heute ist es 1 kg pro Woche! Solche Mengen kann auch die beste Leber nicht bewältigen. Und die Darwin’sche Evolution kann sich nicht so rasch an neue Gegebenheiten anpassen.

Cannabis und Tabak

Studien haben gezeigt, dass beim täglichen Rauchen von Joints – unabhängig vom Alkoholkonsum und Alter der Betroffenen – sowohl Leberverfettung4 als auch Leberfibrose5 deutlich zunehmen. Der regelmässige Konsum von Cannabis ist daher besser zu vermeiden.

Auf jeden Fall schädlich ist das Rauchen normaler Zigaretten, und zwar nicht nur für die Lungen, sondern auch für die Leber. Gepoolte Analysen6 zeigen: Je mehr eine Person raucht, desto höher ist das Risiko für eine Leberfibrose. Ab 10 «pack-years» (1 pack-year = 1 Jahr, in dem 1 Schachtel pro Tag geraucht wird) steigt die Wahrscheinlichkeit für eine fortgeschrittene Vernarbung deutlich und nimmt mit noch höherem bzw. längerem Konsum kontinuierlich weiter zu. Dasselbe gilt für Leberkrebs. Bei aktuell Rauchenden zeigt sich das etwas deutlicher als bei ehemaligen Rauchenden. Bei Letzteren nimmt das Risiko im Laufe der Zeit wieder ab, normalisiert sich aber nicht vollständig.

Zu guter Letzt seien noch zwei Genussmittel genannt, die eine positive Wirkung auf die Leber haben können:

Kaffee und Schokolade

Sofern ungesüsst, ist Kaffee gut für die Leber. Daten zur Assoziation zwischen Leberzirrhose und dem Trinken von zwei Tassen Kaffee pro Tag belegen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Zirrhose bei regelmässigem Kaffeegenuss deutlich abnimmt. Der Effekt verstärkt sich noch, wenn mehr als zwei Tassen pro Tag 7 konsumiert werden. Zusätzlich wirkt sich Kaffee auch positiv auf das Risiko eines Schlaganfalls aus 8. Die optimale Wirkung liegt hier bei ca. 4 Tassen pro Tag, auch in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse. Diese Beobachtungen beziehen sich auf den regulären Kaffee; Espresso scheint gemäss einem Fachartikel im englischsprachigen «Journal of Hepatology» eine weniger gute Wirkung zu haben. Das hängt möglicherweise davon ab, mit welchem Druck gewisse Substanzen aus den Kaffeebohnen gefiltert werden. Hier besteht jedoch noch weiterer Klärungsbedarf.

Wie beim Wein sind wahrscheinlich auch beim Kaffee die Polyphenole für die wohltuende Wirkung verantwortlich. Dabei ist Kaffee nicht gleich Kaffee. Zwischen den verschiedenen Marken kann es grosse Unterschiede im Polyphenolgehalt geben 9. Es entfaltet somit nicht jeder Kaffee dieselbe Wirkung.

Auch dunkle Schokolade ist mit verbesserten Leberwerten assoziiert, wie eine Kohortenstudie belegt 10. Der stärkste Leberschutz ist somit die Kombination von Kaffee und dunkler Schokolade, wobei auch hier ein massvoller Konsum angezeigt ist. Eine ganze Tafel pro Tag ist sicherlich nicht ratsam.


1 Rehm J. et al., Drug Alcohol Rev. 2010 Jul; 29(4):437-45.
2 Askaard G. et al., J Hepatol. 2015 May; 62(5):1061-7.
3 Wood AM et al., Lancet. 2018 Apr 14; 391(10129):1513-1523.
4 Hézode C. et al., Gastroenterology, 2008 Feb; 134(2):432-9.
5 Hézode C. et al., Hepatology, 2005 Jul; 42(1):63-71.
6 Jung HS et al., Am J Gastroenterol. 2019 Mar; 114(3):453-463.
7 Kennedy OJ et al., Aliment Pharmacol Ther. 2016 Mar; 43(5):562-74.
8 Larsson SC. Stroke. 2014; 45:309-314.
9 Crozier et al., Food Funct. 2012; DOI:10.1039/c1fo10240k.
10 Carrieri MP et al., J Hepatol 2014; 60:46-53.

Auszug aus der Präsentation von Prof. A. Kremer, von Arzt-Patienten-Seminar am USZ vom 11.06.2022

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